Montag, 9. Februar 2015

Busfahren in Russland

Tatort Nizhny Novgorod. War in Moskau die Verkehrspolizei noch teilnahmslos aber präsent, ereignete sich in Nizhny Novgorod eine ganz andere Szene. Bei unserem nachmittäglichen Stadtbummel beobachteten wir auf einer mittelgroßen Straße einen Unfall. Ok, der Unfall trug sich offenbar schon früher zu, denn die Warndreiecke waren bereits aufgestellt und die Fahrer der beiden in einander verkeilten Autos diskutierten angeregt auf der Fahrbahn. Eine alltägliche Szene, der wir keine weitere Beachtung schenkten. Zunächst.

Beachtung und erstauntes Kopfschütteln rief diese Sache erst hervor, als wir gut fünf Stunden später mit dem Bus die Stelle erneut passierten und sich, von der einsetzenden Dunkelheit einmal abgesehen, nichts an dem Bild geändert hat: Die Autos standen wie Stunden zuvor an gleicher Stelle und die Fahrer diskutierten immer noch. Nein, halt. Eine weitere Veränderung gab es doch noch: in der Zwischenzeit ist auch die Polizei eingetroffen und die Beamten diskutierten fleißig mit. Ob die Schuldfrage jemals geklärt wird?

Auf nach Nizhny Novgorod mit dem Audi Bus. Nach unserer Ankunft am Bahnhof fragten wir uns zu dem Kleinbus durch, der uns zu unserer Herberge bringen sollte. Wir fanden ihn nach nicht weiter erwähnenswerten Schwierigkeiten, kauften unsere Tickets und während Jochen auf dem nächsten freien Platz darnieder sank, stand ich mitsamt dem Gepäck unmittelbar hinter dem Fahrer. Es war zwar unbequem, doch bot sich mir dadurch die Möglichkeit ein beeindruckendes Schauspiel zu beobachten.

Man muss dazu sagen, dass in diesen Kleinbussen, die etwa 25 Passagiere fassen, der Fahrer das Mädchen für alles ist. Er kassiert, er verteilt Fahrscheine, er kontrolliert die Fahrgäste, denn steigt man in einen solchen Bus am hinteren Ende ein, quält man sich nicht durch die Menge, sondern reicht einfach sein Geld nach vorne. Über kurz oder lang kommt dann auch das Ticket zurück. Auch hab wir nach Lastminute Texel Angebote geschaut.

Ein bemerkenswertes Beispiel für die Vertrauenswürdigkeit der Russen, die Grundvoraussetzung eines solchen Prinzips ist. Ich weiß nicht, ob das in Deutschland auch so funktionieren würde. Egal, in jedem Fall muss der Fahrer alle ein- und aussteigenden Passagiere im Blick behalten und wenn er dann noch Zeit findet, den Bus durch den dichten Verkehr steuern. Da bekommt Multitasking eine völlig neue Bedeutung.

Und unser Fahrer war an jenem Abend ein leuchtendes Beispiel für seinen Berufsstand. Der Mann musste kurz vor der Rente stehen und verfügte daher über eine Geduld und Ruhe, die man sich nur im Laufe ungezählter Berufsjahre aneignet und die beneidenswert war.

Als ein junger Mann seinen Fahrschein mit einem ziemlich großen Schein (genau konnte ich es leider nicht erkennen) bezahlen wollte, schaute der Fahrer nur kurz auf die Banknote, die ich ähnlich schon im Villapark Weerribben Angebote gesehen hab und begann auf seinem Sitz zu rotieren. Wohlgemerkt bin ich schon mehrfach in deutschen Bussen mit der unfreundlich geraunzten Begründung, ich hätte doch zumindest annährend passend zu zahlen, gleich wieder des Fahrzeugs verwiesen worden.